Der BUND fragt – die FDP antwortet

14.02.2021

Der BUND Ortsverband Usingen-Neu-Anspach fragt anläßlich der Kommunalwahl 2021 die Kandidaten, wie sie zu zu wichtigen Umweltthemen stehen:
Flächenverbrauch
Wie bewerten Sie den Flächenverbrauch vor Ort? Was werden Sie – im Falle Ihrer Wahl – unternehmen, um den Flächenverbrauch zu minimieren?
Verkehr
Wie ist ihre Einstellung zum Verkehr in Neu-Anspach? Welche Maßnahmen werden Sie – im Falle Ihrer Wahl – anregen und unterstützen?
Energieversorgung
Welche Energieversorgung sollte in Neu-Anspach realisiert sein/werden? Was werden Sie – im Falle ihrer Wahl – unternehmen?

Stefan Ziegele, der Spitzenkandidat der Neu-Anspacher FDP, nimmt wie folgt Stellung:

Flächenverbrauch

Diesem Thema möchte ich vor der Beantwortung Ihrer Fragen eine kleine historische Betrachtung voransetzen, um unsere über die Jahre gewachsene Position deutlich machen zu können.

Die Gründe, weshalb Menschen nach Neu-Anspach ziehen, sind vielfältig. Zu Beginn der Entwicklungsmaßnahme in den 70er Jahren sah man hier ein Potenzial, das mit „Wohnen im Grünen“ beworben wurde, quasi ein idealisierter Kontrapunkt zur Tristheit und Enge der Metropole. Neu-Anspach errichtete ein Wohnraumangebot, das einem Kernwunsch vieler „Frankfurter“ entsprach: Wohnen im Eigenheim mit der Wahrung einer gewissen Individualität und Selbstständigkeit.

Die Gemeinde und spätere Stadt Neu-Anspach entstand am 1. Dezember 1970 im Zuge der Gebietsreform als freiwilliger Zusammenschluss von vier Gemeinden. Diese Gemeinden waren nicht natürlich zusammengewachsen, sondern waren zu klein, um auch nach der Reform noch als selbstständige Einheiten effizient verwaltet zu werden. Die Entscheidung zur Bildung einer Großgemeinde zielte im Folgenden auf eine Entwicklung der Besiedlung dieser Abstandsflächen zwischen den einzelnen Dörfern ab, und zwar sternförmig von der zentralen Gemeinde Anspach aus in Richtung Rod am Berg, Hausen-Arnsbach und Westerfeld. Dies war insbesondere auch deshalb notwendig, um den Ortsteilen eine übergreifende Integrität und damit auch eine neue Identität zu geben. Die Entwicklungsmaßnahme und Maßnahmen zur Verdichtung umfassten fast ausschließlich diese definierten Flächenstücke zwischen den Dörfern. Der entwicklungsfähige Flächenverbrauch war somit vordefiniert und bildete die planerische Grundlage.

Selbst die Ausweisung von Gewerbeflächen zwischen den Ortsteilen Anspach und Westerfeld/Hausen war durchaus mit der Besiedelungspolitik der Abstandsflächen vereinbar und sicherte eine gewerbliche Infrastruktur für die junge Stadt.

Die überwiegende Bebauung wurde zielgruppengemäß überwiegend als EFH-Bebauung mit Gartengrundstücken und kleinen Parkanlagen durchgeführt, gefolgt von folgerichtigen Beschlüssen, auch ein attraktiveres Gewerbeangebot und Einkaufsmöglichkeiten zu bilden. Selbstverständlich entstand auch ein Bedarf an Betreuungseinrichtungen und Schulen, der nach und nach mittels der beiden Grundschulen und der Integrierten Gesamtschule befriedigt wurde.

Die Bebauung in Neu-Anspach zeigt unseres Erachtens also keinesfalls Wildwuchs, sondern zeugt von einer Siedlungspolitik, die versuchte, den ökologischen Schaden durch entzogenes Grün mittels lockerer Bauweise, Erhalt der Umgebungslandschaft und eine räumlich definierte Begrenzung zu kontrollieren. Die Absolutheit dieser Aussage muss man natürlich relativieren durch die ein oder andere Bausünde, die ein konsistentes Baugefüge provoziert und der man obligatorisch die Bildung von naturbelassenen Ausgleichsflächen hätte abverlangen müssen.

Es gab in Neu-Anspach seit der Jahrtausendwende keine größeren Entwicklungsmaßnahmen mehr, was sich seit einigen Jahren in einem Rückgang der Bevölkerung niederschlägt: Erwachsen gewordene Kinder ziehen weg mangels Wohnraumangebot und lassen ihr Eltern in oftmals ‚zu‘ großen Häusern zurück. Hier knüpft das Entwicklungskonzept „ISEK 2040“ an, das in sehr vielen Bereichen unsere volle Unterstützung findet. Es hat sich auch in dieser integrierten Stadtentwicklungsplanung niedergeschlagen, dass seit einigen Jahren der Rhein-Main-Verbund von den Gemeinden des Hochtaunuskreises einen entsprechenden Beitrag an Wohnungsbaumaßnahmen fordert zwecks Entlastung der Metropolregion. Auf Neu-Anspach entfiele demnach bis zum Jahr 2030 ein Bedarf von rund 800 neuen Wohnungen, um dem Wanderungsdruck in die Metropole entsprechend nachzugeben.

Wenn Sie nach unserer Einschätzung zum Flächenverbrauch fragen, muss ich zuerst feststellen, dass der zusätzliche Verbrauch u.E. für die Bildung eines größeren Gemeindewesens in der Vergangenheit eine Grundlage hatte, auch in Bezug auf Dichte und Durchlässigkeit. Sicherlich haben sich auch andere Gemeinden und Städte weiterentwickelt, um den zusätzlichen Wohnungsbedarf als Folge von fluchtbedingter Migration, EU-Wanderungsbewegungen, aber auch durch einen einzigartigen Alterungseffekt zu befriedigen. Alle diese Städte, ob direkt oder indirekt durch Suburbanisierungstendenzen, sehen einen erhöhten Flächenbedarf, wenn man nicht weitreichende Änderungen der Wohnform, hin zur mehr- und vielstöckigen Bauweise wechseln möchte.

Da gleichzeitig aber die Klimaänderung zu einem Rückgang der lebenswichtigen Ressource Wasser führt, was auch Neu-Anspach nach mehreren Trockenperioden deutlich zu spüren bekam, stellt sich die Frage, wie man zusätzlichen Wohnungsbedarf und zusätzlichen Flächenbedarf in Einklang halten kann.

Nun, nach dieser etwas längeren Vorrede, also konkret zu Ihrer ersten Frage:

• Wir denken, dass unter den bekannten ökologischen Bedingungen der Vergangenheit, der Flächenverbrauch in Neu-Anspach relativ zur unbebauten Umgebungsfläche in einem grundsätzlich unschädlichen Verhältnis stand.
• Die Änderungen des Lokalklimas der letzten Jahre hat dazu geführt, dass wir künftige Baumaßnahmen sehr stark an ökologischen Kriterien ausrichten müssen.
• Neubauten in Neu-Anspach unterliegen ja schon einige Zeit einer obligatorischen Zisternensatzung zur Schonung der Wasserressourcen in unserem direkten Einzugsgebiet. Die FDP steht darüber hinaus einer Förderung von Investitionen in Zisternenanlagen auch im Altgebäudebestand positiv gegenüber.
• Wir plädieren für die Suche nach weiteren Wassereinzugsgebieten sowie entsprechende Speichermöglichkeiten, um Spitzenbedarfszeiten geschickt mit Vorräten aus der regenreichen Zeit abzudecken.
• Ziel muss sein, Zukäufe von Hessen-Wasser nicht weiter zu erhöhen.
• Wenngleich wir auch die Innenverdichtung der Altortskerne unterstützen, dürfen wir nicht vergessen, dass natürlich auch dort zusätzlicher Flächenverbrauch stattfindet. Lediglich die Bau-Kohärenz erhöht sich zugunsten einer reduzierten Flächendiffusion, was städtebautechnisch eine wünschenswerte Entwicklung ist.

Insgesamt denken wir, dass der Flächenverbrauch in Zukunft obligatorisch in die Planung einzubeziehen ist, mit all seinen positiven und negativen Eigenschaften, und einer volatilen Umwelt stärker als Kennziffer und Kontrollparameter gerecht werden muss. Konkret hieße das, dass beispielsweise bei der Baugenehmigung für den Edeka-Neubau weitere Potenzialflächen hätten berücksichtigt werden müssen, die einen weniger gravierenden Einschnitt in die Natur und weniger oder keinen zusätzlichen Einkaufsverkehr verursacht hätten. Ein Flächenverbrauchs-Index könnte hier in Zukunft Abhilfe schaffen und objektive Beurteilung der Maßnahme unterstützen.

Verkehr

Sie fragen nach dem Verkehr in Neu-Anspach, d.h. ich nehme an, dass es hier nicht um die Frage des außerstädtischen Verkehres und den ÖPNV geht. Diesen Bereichen gehe ich somit in meiner Antwort nicht weiter nach, weise aber gerne auf grundsätzliche Positionen der FDP hin.

Wenn Sie von dem Verkehr in Neu-Anspach sprechen, geht es vermutlich in erster Linie um den Autoverkehr, zu dem ich außer Personenkraftwagen auch Nutzfahrzeuge aller Art wie Lieferwagen, Busse, Lastkraftwagen und sonstige Fahrzeuge zähle.

In Neu-Anspach wirkt sich zuerst einmal günstig auf den Innerortspersonenverkehr aus, dass Großmärkte wie Edeka, Aldi und Lidl, mit hohen Besuchsfrequenzen, alle in direkter Umgebung zueinander gelegen sind. Das reduziert die Zahl der Zwischenstopps bei Einkaufstouren und belässt die Fahrzeuge eher in einem Ruhezustand. Konterkariert wird dieser Vorzug nun allerdings durch die geplante Verlagerung des Edeka-Marktes in ein neu zu schaffendes Gewerbegebiet, was das fußläufige Einkaufen in der „Supermarkt-Zone“ erschwert und letztlich doch zu einer erhöhten Nutzung des Privat-Pkws führt.

Eine Fokussierung wirkt sich selbstverständlich auch begünstigend auf den Zulieferverkehr aus, dem Wege durch die Ortskerne erspart bleiben. Die direkte Anbindung an die Heisterbachstraße sorgt dafür, dass zu- und abfließender Lieferantenverkehr den Rest der Stadt nicht oder nur peripher belastet. Die Verbindung über diese Spange in Richtung Usingen sorgt auch für einen schnellen Abfluss des Umgebungsverkehrs.

Insgesamt ist die Positionierung von Supermärkten gemeinsam mit dem Gewerbegebiet günstig zu sehen, da ein hohes und belastendes Bewegungspotenzial von den Ortskernen ferngehalten wird. Auch andere Auto-intensive Gewerbe, wie beispielsweise die Deutsche Post, sind am selben Standort gut räumlich von den Ortsteilen getrennt.

Bei der künftigen Bildung einer neuen Mitte ist darauf zu achten, dass das zu erwartende Verkehrsvolumen nur eine maßvolle Veränderung mit sich bringt. Dies gilt auch für den ruhenden Verkehr an dieser Stelle, für den weitere Versiegelungen von Grünflächen streng kontrolliert werden müssen.

Der Busverkehr gliedert sich in Neu-Anspach überwiegend in den Zubringerverkehr zu den Bahnhöfen und den Schulverkehr. Wegen der immer noch größeren Distanzen zwischen den Ortsteilen sehen wir hier auch keine Möglichkeit, das Verkehrsaufkommen zu verringern – im Gegenteil: mit einer leicht höheren Taktung der künftigen S-Bahn könnte hier noch Zusatzbedarf entstehen. Es ist wichtig, diese öffentlichen Verbindungen zwischen den Ortsteilen zu erhalten und notfalls zu erweitern, insbesondere wenn dadurch der Individualverkehr reduziert werden kann.

Insgesamt gibt es in Neu-Anspach, wie in vielen Städten und Gemeinden, Spitzenzeiten, in denen das Verkehrsaufkommen verstärkt wahrgenommen wird. Insbesondere die Zufahrt aus Richtung Heisterbachstraße hat scheinbar an Aufkommen zugenommen, was sich aber auch mit dem zunehmenden örtlichen Berufsverkehr und den dann häufigeren ÖPNV-Verbindungen zu diesen Spitzenzeiten vermischt.

Wie wir in unserem Antwortschreiben zu Fragen des VdK in Neu-Anspach bereits aufgezeichnet haben (s.a. Der VdK fordert – die FDP antwortet | FDP Neu-Anspach (fdp-hessen.de)), halten wir ein konsequenteres Vorgehen gegen „Verkehrssünder“ überall dort für notwendig, wo Bürgerinnen und Bürger durch Parkverstöße behindert werden oder wo sie aufgrund von engen Gehwegen gezwungen sind, mit Rollstuhl oder Kinderwagen auf die Straße auszuweichen. Wir unterstützen eine klare räumliche Trennung von Bushaltestellen und Containerentsorgung. So grenzt beispielsweise in der Straße ‚Auf der Hochwiese‘ der Glasmüllcontainer direkt an die Bushaltebucht, was hin und wieder zu Konflikten führt.

Im Zuge von ISEK unterstützen wir mehr Fuß- und Radwege zwischen den Ortsteilen und den beiden Bahnhöfen. Es ist überhaupt erfreulich zu sehen, wie sehr die Radnutzung in den wärmeren Monaten eines Jahres zugenommen hat und viele typische „Autofahrten“ ersetzt. Selbstverständlich sind wir realistisch genug, die Witterungsabhängigkeit der Radnutzung zu erkennen, sehen aber schon einen Gewinn, wenn im Jahresmittel dadurch eine Entlastung des Autoverkehrs entsteht.

In der aktuellen Situation sehen wir die Verkehrssituation in Neu-Anspach in Teilbereichen schon als problematisch an, insbesondere auch bzgl. einer Verlangsamung des Verkehrsflusses durch mehr ruhenden Verkehr. So hat sich die Zahl der Fahrzeuge nicht nur im Zuge der Entwicklungsmaßnahme über die Jahre erhöht, auch in der Folge sind Zweitwagen und Fahrzeuge der herangewachsenen Kinder hinzugekommen. Bei künftigen Bauvorhaben, ist davon auszugehen, dass die Infrastruktur weiter belastet wird. Insoweit sind alle infrastrukturellen Konsequenzen bei künftigen Bauvorhaben zwingend in die Entscheidung miteinzubeziehen.

Energieversorgung

Wenn man an der Energieversorgung einer Stadt etwas ändern will, kann man das auf unterschiedliche Arten tun: Man schreibt bestimmte Energieformen für Neubauten vor, man fördert die Umstellung im Zuge von Renovierungsarbeiten und Erneuerungen am Altbestand, oder man verbietet per Dekret herkömmliche Energieformen. „Verbieten“ und „Vorschreiben“ sind nicht so unser Ding, wir stehen für Motivieren und Fördern. Fossile und umweltbelastende Energien schaffen sich im Zuge eines neuen Klimaverständnisses von selbst ab, auch aufgrund höherer Preise und zusätzlicher CO2-Besteuerung. Wir wollen dazu beitragen, ein positives Bewusstsein zu erzeugen, mit erneuerbaren Energieformen etwas Gutes zu tun. Im Sinne eines positiven „Nudging“ in Kombination mit einer Preisdifferenzierung zählen wir darauf, dass sich in einem Großteil der Bevölkerung ein verantwortungsvolles Heizen in diesem Sinne durchsetzen lässt.

Dabei wollen wir nicht nur eine Energieform präferieren, sondern wollen Bauherren und Gebäudebesitzern umweltfreundliche Energieformen anbieten, für die die Stadtverwaltung bestens gerüstet ist, in technischer Hinsicht und auch mit einem qualifizierten Beratungsservice. Diese umfassen definitiv alle Formen des Luft-Wärme-Tauschs, Geothermie, und Solaranlagen zur Eigenstromproduktion und damit zur Sicherung des hohen Strombedarfs der Wärmetauschpumpen. Windkraftanlagen vor Ort unterstützen wir nicht, da diese Bauwerke einen hochgradigen Industrialisierungsgrad generieren, der in Disharmonie zu Wohnwert, Lebensqualität und touristischem Wert unserer „Stadt im Grünen“ stehen. Darüber hinaus befürchten wir ökologische Einschnitte in einem bereits verletzten Waldgebiet und einen zusätzlichen Flächenverbrauch.

Ergänzend zur Energieform beobachten wir mit Interesse die Entwicklung von kinetischen Speichern, die in der Lage sind, Strom für eine Verwendung in Spitzenzeiten zu speichern. Grundsätzliche Probleme von erneuerbaren Energieformen in Bezug auf das asynchrone Produzieren von Sonnen- und Windenergie in Relation zu üblichen Verbrauchszeiten würden dadurch gelöst werden und eine ergänzende traditionelle Energieerzeugung weiter zu reduzieren.

Langfristig sollte es Ziel sein, die Ausstattung mit Gasbrennern – lange Zeit eine obligatorische Vorgabe für Bauherren in Neu-Anspach – nach und nach zu Gunsten von erneuerbaren Energieformen zurückzufahren.

In unserer politischen Arbeit im Neu-Anspacher Parlament stehen wir für eine positive Energieperspektive, die eine zusätzliche Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch Schadstoffe weitgehend vermeidet bzw. eine existierende Belastung reduziert. Wir werden die Öffentlichkeitsarbeit diesbezüglich fördern i.S.v. Beratungen zur Ausgestaltung und Förderungsmaßnahmen und an die Vorbildfunktion öffentlicher Einrichtungen appellieren, bei Ersatzmaßnahmen eine entsprechende Änderung der energietechnischen Ausrüstungen ins Auge zu fassen.