Der Mittelstand fragt die Spitzenkandidaten

07.01.2021

Die FDP Neu-Anspach, sowie alle anderen Parteien, die sich am 14. März zur Wahl in Neu-Anspach stellen, wurden vom „Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft, Hochtaunus“ zu ihren Wahlkampfpositionen befragt. Die Antworten wurden vom BVMW auf deren Website veröffentlicht.:

Frage 1: „Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um die wirtschaftliche Entwicklung in Neu-Anspach dauerhaft zu sichern?“ 
Frage 2: „Was ist ein wesentliches Anliegen des Mittelstands, dem Sie sich als Spitzenkandidat widmen wollen?“
Frage 3: „Bei welcher Herzensangelegenheit wünschen Sie sich die Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft vor Ort?“

Stefan Ziegele antwortet als Spitzenkandidat der FDP:

Zur Wirtschafts- und Gewerbesituation in Neu-Anspach: Im Jahr 2019 wurde mit hoher Bürgerbeteiligung das Planungsprojekt „Integriertes Stadtentwicklungskonzept 2040“ (ISEK 2040) fertiggestellt, in dem die Wünsche und Notwendigkeiten für die künftige Regierungsarbeit zusammenfassend dargestellt wurden, bezogen auf alle Aspekte einer kommunalen Entwicklung. So auch „Wirtschaft und Gewerbe“: Ein in Auftrag gegebenes Gutachten bei der GMA (Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH) kam seinerzeit zu der Einschätzung, dass Neu-Anspach bzgl. der Einzelhandelsversorgung eher als schwacher Standort mit geringem Modernitätsgrad zu bewerten ist, und dies trotz eines über dem Durchschnitt liegenden Kaufkraftpotenzials. Im produzierenden Bereich zeigt sich die Stadt bedauerlicherweise nicht als „Job-Motor“: Nur gut ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung findet in Neu-Anspach selbst eine Anstellung. 

Den Forderungen dieses Entwicklungsprogramms schließt sich die FDP Neu-Anspach explizit an, wenngleich wir in Teilbereichen Potenzial für Korrekturen und besonders im Wirtschafts- und Gewerbeteil einen höheren Konkretisierungsbedarf sehen. Die Pandemie-Situation des Jahres 2020 und voraussichtlich in Teilen von 2021 stellt zusätzliche und veränderte Anforderungen an die Infrastrukturfrage, die wir in unserem Wahlprogramm unter „Neue Realität“ konkretisiert haben.

Gleichzeitig möchte ich nicht vergessen, auf die prekäre Finanzsituation der Stadt Neu-Anspach zu verweisen, die nur einen sehr kleinen Spielraum für politische Ziele und Neugestaltung einräumt. Öffentliche Investitionen stehen auf dem Prüfstand und eine Umsetzung des Entwicklungskonzepts ist zumindest für die kommenden Jahre vermutlich nur in kleinen Schritten möglich.

Nun zu den konkreten Fragen:

Frage 1: Was muss aus unserer Sicht getan werden, um die wirtschaftliche Entwicklung in Neu-Anspach dauerhaft zu sichern?

Grundsätzlich ist hierzu zu sagen, dass die Politik immer nur die Rahmenbedingungen dafür setzen kann, dass wirtschaftliche Entwicklung möglich ist. Wir respektieren und fördern die freie unternehmerische Entscheidung und möchten dazu beitragen, diese Rahmenbedingungen entsprechend günstig zu beeinflussen.  Uns geht es dabei überwiegend um Fragen der Wirtschaftsförderung, Mobilität, Digitalität und um eine Verlässlichkeit bei Kriterien zur Ansiedlungsentscheidung, insbesondere hinsichtlich der Steuer- und Abgabenlast.

Für Neu-Anspach lassen sich unsere wichtigsten Forderungen wie folgt zusammenfassen:

  • Wir setzen uns für eine deutliche Aufwertung der Rolle des kommunalen Wirtschaftsförderers ein mit dem Ziel der Anwerbung von Unternehmen, einer Assistenz im Bereich von Neugründungen und Start-Ups, mit einer Perspektive für New Business-Ansätze und einer Koordinierung von adäquaten infrastrukturellen Maßnahmen.
  • Wir fordern den weiteren Ausbau einer hochleistungsfähigen digitalen Infrastruktur durch 5G Mobilfunk und terrestrische Netze bis zu 1Gbit. Gerade in der aktuellen Krisensituation hat sich gezeigt, dass ein leistungsfähiges Netzangebot für die Standortwahl entscheidend sein kann. Gleiches gilt für bereits ansässige Unternehmen in Bezug auf die Neuausrichtung und Modernisierung ihrer Geschäftsmodelle. 
  • Der regelmäßige Austausch mit Vertretern der ansässigen Unternehmen, des Gewerbevereins und dem Wirtschaftsförderer soll eine Politik nahe an den Bedürfnissen dieser Player ermöglichen.
  • Unsere Politik wird geprägt sein von dem Wunsch, Kaufen und Arbeiten vor Ort nachhaltig zu verbessern. Dabei schließt „vor Ort“ eine überörtliche Zusammenarbeit mit den Gemeinden Usingen und Wehrheim bezüglich der Stärkung eines Wirtschaftsstandorts „Usinger Land“ nicht aus.
  • Mit dem Ziel der Sicherung der Nachfrage und des Arbeitskräfteangebots vor Ort setzen wir uns für eine ausgewogene Siedlungspolitik ein, die jungen Menschen eine Wohnperspektive bietet, wodurch eine Überalterung der Bevölkerung Neu-Anspachs mittel- und langfristig vermieden wird.

Wichtiger Bestandteil unserer künftigen Politik wird die Kommunikation sein, mit Unternehmern und Einzelhändlern, aber auch mit den korrespondierenden Verbänden und Vertretern der Stadt und des Kreises. Wir sind realistisch genug, unsere Repräsentanz im künftigen Stadtparlament von Neu-Anspach einzuschätzen, möchten aber durch Gespräche mit anderen Parteien und Vertretern überzeugen und für unsere Ziele werben. In einem demokratischen Umfeld kommt manchmal dem „Zünglein an der Waage“ eine nicht zu unterschätzende Funktion zu.

Die zweite Frage nach dem Anliegen des Mittelstandes habe ich vielleicht oben in Teilen bereits beantwortet, möchte aber Folgendes hinzufügen:

  • Wie man aus der gegenwärtigen Diskussion um die prekäre Haushaltssituation in Neu-Anspach erkennen kann, besteht die Gefahr, dass allzu leicht an den Steuerschrauben gedreht wird, vor allem bei Substanz- und Gewerbesteuern. Wir setzen uns für eine Verlässlichkeit des politischen Umfeldes ein, um bereits ansässigen Unternehmen und Neugründungen eine mittelfristige Planungssicherheit zu gewährleisten.
  • Die Ausweisung neuer Gewerbeflächen mit moderner Infrastruktur und ohne Mobilitätshürden, kompetente Ansprechpartner in der Stadtverwaltung und eine überzeugende Gewerbe-Philosophie sind Grundvoraussetzungen für ein gesundes Miteinander an diesem zukunftsfähigen Wohn- und Wirtschaftsstandort.
  • Im Rahmen der kommunalen Leistungsfähigkeit wünschen wir uns mehr Unterstützung für Unternehmen bei der Umgestaltung ihrer Geschäftsmodelle in Hinblick auf eine ökologisch nachhaltige Ausrichtung ihres Produktions- und Leistungsangebots.

Zu guter Letzt die dritte Frage: „Bei welcher Herzensangelegenheit wünschen Sie sich die Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft vor Ort?“

Bei dieser Frage geht es für mich um die Erzeugung von Kompetenz auf allen Seiten, wobei ich auch uns als Partei nicht ausschließen möchte. Regelmäßige Dialoge zur Früherkennung von neuen Bedarfen, neuen Modellen und veränderten Modalitäten mit den entsprechenden Verbandsvertretern halte ich für unabdingbar zur Bildung einer Kongruenz zwischen wirtschaftlichen Interessen und kommunalen Angeboten.

Bei Standortentscheidungen von mittelständischen Unternehmen würden wir uns über eine zunehmende Beachtung der Stadt Neu-Anspach freuen. Modernität, Zukunftsorientierung, Wohnen und Arbeiten im Grünen können in einer neuen Wirtschaftswerteordnung von großer Bedeutung sein.

Somit bildet die Verbesserung der digitalen Rahmenbedingungen in der Tat meinen persönlichen „Herzenswunsch“: Insuffiziente Mobilfunkstandards, die noch nicht einmal LTE-Verbindungen zulassen, Nachholbedarf beim Glasfaserausbau und der hohe Anteil analoger Prozesse im öffentlichen Gemeinwesen sind nur zwei der unsichtbaren Hürden für eine interessante Weiterentwicklung der lokalen Wirtschaft.

Die Pandemie hat auch Unternehmern in kürzester Zeit vor Augen geführt, in welche Richtung sich existierende Modelle verändern müssen, damit auch künftig ein solides Wirtschaftswachstum möglich sein wird.

Um hier zum Abschluss eine konkrete Idee anzusprechen: Die Bildung von Office Space Zentren „auf dem Land“ sehen wir als ein vielversprechendes Modell für Unternehmen in den Ballungsräumen, die die beiden Pole ‚Präsenzarbeit‘ und ‚Home-Office‘ verbinden könnten. Ein professionelles Umfeld in der Nähe des Wohnortes mit perfekter Video- und Netzverbindung zum Mutterunternehmen ist in vielen Fällen ein verlässlicheres Modell als das unregulierte Home-Office, bei dem ein großes Feld an arbeitstechnischen und arbeitsrechtlichen Fragen unbeantwortet bleibt.